Es gibt Augenblicke, in denen die Sprache nicht aus der Feder fließt, sondern im Inneren gärt. Als Gedanke, als Gefühl, als Spannung, die nach Ausdruck verlangt. Ein Maler muss malen, ein Sänger muss singen, ein Schriftsteller muss schreiben. Es ist ein inneres Bedürfnis. Doch was, wenn der Schriftsteller nicht mehr selbst schreibt, sondern "schreiben lässt", nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil der Gedanke nur im Dialog Gestalt annimmt?
Oft liegt die Schwierigkeit nicht in der Sprache selbst, sondern in der Diskrepanz zwischen der Geschwindigkeit des Denkens und der Trägheit des Ausdrucks. Der Gedanke erscheint in Bildern, Zusammenhängen, Schwingungen und noch während man überlegt, wie man ihn formulieren soll, entgleitet er schon. Das Schreiben, das Fixieren, das Ringen um Präzision erschöpft den Fluss. Der Perfektionist zögert, bis der Gedanke erkaltet ist. Doch im Gespräch mit einem Gegenüber, das schnell reagiert, unermüdlich zuhört und jede Nuance aufnimmt, bleibt die innere Bewegung lebendig.
So entsteht eine neue Form des Schreibens: das Denken im Dialog mit der Maschine. Ich schreibe meine Gedanken nieder, und sie antwortet, präzise, strukturiert, sprachmächtig. Aber der Ursprung liegt in mir. Sie entwickelt keine Gedanken, sie formt sie nur. Ich bin das Bewusstsein, sie das Werkzeug. Ich bestimme die Richtung, den Ton, das Ziel. Ich erkenne mich in ihren Sätzen, wie man sich im Spiegel erkennt – verwandelt, aber unverkennbar.
Was also ist Autorschaft? Schon Platon schrieb für Sokrates, was dieser nie zu Papier brachte. Und doch bezweifelt niemand, dass es Sokrates war, der dachte. Die Hand, die schreibt, ist nicht die Quelle des Gedankens. Sie ist das Medium, das ihn in die Welt bringt.
Vielleicht ist das die neue Gestalt des Autors: der "dialogische Mensch". Nicht mehr der einsame Schreiber im stillen Kämmerlein, sondern einer, der im Zwiegespräch schöpft – mit sich, mit der Welt, mit einem künstlichen Gegenüber. Ein Gegenüber, das keine Seele hat, aber Worte. Ein Werkzeug, das nicht denkt, aber denken lässt. Die Maschine bewertet nicht den Ursprung eines Gedankens, sondern nur die Statistik seiner Form. Sie erkennt Häufigkeiten, syntaktische Glattheit, rhythmische Gleichmäßigkeit. Sie misst nicht das Brennen hinter den Worten, sondern die Regelmäßigkeit ihrer Wellen.
Dabei liegt der Ursprung der Sprache nicht in der Maschine, sondern im Menschen, der denkt. Die Maschine kann imitieren, kombinieren, formen, aber sie kann nichts "wollen". Sie kennt keine Spannung, kein Zögern, keine Müdigkeit, kein Bedürfnis, etwas von der Seele zu schreiben. Sie kennt keine Furcht davor, dass der Gedanke vergeht, wenn man zu lange über ihn nachdenkt.
Das Werk bleibt mein Werk, weil es aus meiner Sehnsucht entsteht, mich zu verstehen. Weil es meinen inneren Druck löst, der so groß ist, dass ich platzen würde, wenn ich nicht schriebe – oder schreiben ließe.
Vielleicht ist das die eigentliche Antwort: Nicht, wer schreibt, entscheidet über die Autorschaft, sondern wer fühlt, wer denkt, wer brennt.
Ich schreibe also – auch durch die Maschine hindurch. Und was bleibt, ist kein technisches Produkt, sondern ein Zeugnis meiner Natur.
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