Im falschen Film

Veröffentlicht am 7. November 2025 um 09:36

Es gibt Momente, in denen man spürt, dass das eigene Leben nicht ganz stimmt.
Nicht falsch im moralischen Sinn, eher wie eine Szene, in der man zufällig gelandet ist — ein Statist in einer Geschichte, die jemand anderes geschrieben hat.

Als ich vor Jahren noch in einem Büro arbeitete, in Anzug und Krawatte, umzäunt von Glaswänden – meinem sogenannten „Aquarium“ –, sah ich eines Abends eine Folge der Fernsehserie Supernatural: „A Terrible Life“.

Die Protagonisten der Serie, zwei Männer, die ohne es zu wissen in ein fremdes Leben versetzt wurden – mit einem Mal brav, angepasst, auf ihre Art beruflich erfolgreich –, beginnen zu ahnen, dass etwas nicht stimmt. Sie spüren das Unbehagen einer Rolle, die nicht die ihre ist, und erst als sie sich dem Unwirklichen stellen, erinnert sich ihr wahres Selbst – und sie erwachen, kehren in ihr eigentliches Leben zurück.

Ich konnte mich kaum davon lösen. Es war, als hielte mir jemand einen Spiegel vor: das Leben im Großraumbüro, die Routinen, das professionelle Lächeln, das Gefühl, funktional zu sein und doch nicht lebendig.

Ich träumte damals davon, aufzuwachen. Von einem Augenblick der Klarheit, in dem ich plötzlich erkenne, wer ich bin und wohin ich gehöre. Aber das Erwachen kam nicht.
Kein Donner, kein Licht, keine Engels-Chöre.
Stattdessen kam ein leises, kaum merkliches Verschieben.
Ich begann Dinge anders zu sehen, ohne zu wissen, wann es begonnen hatte.
Und als ich eines Tages zurückblickte, war vieles anders geworden – ohne dass ich sagen konnte, wann genau die Veränderung begonnen hatte.

Im falschen Film

Irgendwann verließ ich die Industrie, wechselte den Beruf, begann zu lehren und mich nach und nach mit neuen Themen zu beschäftigen: Kommunikation, Philosophie, Ethik, dem Schreiben.
Ich tauchte ein in Fragen, die sich nicht mehr in Excel-Tabellen abbilden lassen – und fand darin eine andere Form von Klarheit, stiller, aber wahrer.

Ich bin noch immer nicht sicher, ob ich jetzt im richtigen Film bin.
Aber ich weiß, dass ich nicht mehr im völlig falschen bin.
Vielleicht ist das schon viel.

Manchmal wünsche ich mir, ich könnte diese Veränderung mit Dankbarkeit betrachten, doch die Dankbarkeit bleibt still.
Vielleicht ist sie einfach zu fein, um sich zu zeigen.
Vielleicht besteht sie darin, dass ich nicht mehr jeden Morgen gegen das Gefühl ankämpfen muss, eine Rolle zu spielen.

 

Die positiven Veränderungen im Leben sind meist kein klarer Schnitt zwischen Traum und Erwachen.
Es ist eher ein langsames Öffnen der Augen – ein Bild nach dem anderen, verschwommen, dann klarer, dann wieder neblig.

Und vielleicht besteht der wahre Fortschritt nicht darin, endlich im richtigen Film zu sein,
sondern darin, zu erkennen, dass man selbst die Kamera hält.

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