In diesen Wochen heißt es wieder: "Schenken war noch nie so einfach"
Der Satz klingt harmlos, fast fürsorglich. Er verspricht Entlastung in einer ohnehin dichten Zeit. Und vielleicht ist genau das seine Stärke.
Denn dieser Satz ist mehr als Werbung. Er ist ein Frame. Er spricht Bequemlichkeit an, Zeitknappheit, den Wunsch, Verantwortung abzugeben. Weihnachten erscheint darin weniger als innere Bewegung denn als logistische Aufgabe: rechtzeitig bestellen, richtig auswählen, abhaken. Kein Vorwurf — eher ein Angebot, sich nicht weiter kümmern zu müssen.
Dieser Slogan ließ einen Gedanken zurück, der sich nicht ganz vertreiben lässt: Auch das Denken wäre heute einfach.
Wir leben in einer Zeit, in der Wissen zugänglich ist wie nie zuvor. Texte, Vorlesungen, Gespräche, Studien — alles liegt offen, oft kostenlos, oft nur wenige Sekunden entfernt. Bildung ist keine Frage mehr des Ortes oder der Zugehörigkeit. Sie ist eine Frage der Zuwendung.
Denken war strukturell noch nie so einfach. Aber innerlich war es selten so unbequem. Denn Denken bedeutet mehr als Informiertsein. Es heißt, sich einen Moment zu entziehen: dem Tempo, den fertigen Deutungen, den vorgeformten Antworten. Es heißt, nicht alles delegieren zu wollen — weder an Algorithmen, noch an Stimmungen, noch an Experten. Denken beginnt dort, wo man die Verantwortung für das eigene Urteil wieder annimmt. Vielleicht fällt uns das schwer, gerade weil so vieles auf Vereinfachung ausgelegt ist. Nicht aus Gedankenlosigkeit, sondern aus Erschöpfung. Aus dem verständlichen Wunsch, es wenigstens an manchen Stellen leicht zu haben.
Und trotzdem liegt darin eine stille Hoffnung. Denn wenn Denken heute nicht mehr an Privilegien gebunden ist, dann ist es auch nicht mehr exklusiv. Jeder kann beginnen. Nicht laut, nicht heroisch. Mit einer Frage. Mit einem Innehalten. Mit dem ehrlichen Versuch, sich selbst nicht auszuweichen.
Weihnachten erzählt von Sinn, nicht von Effizienz. Vielleicht ganz unscheinbar — ein Aspekt, der sich in einer besinnlichen Zeit anbietet: die Fähigkeit, einen Gedanken zu Ende zu führen. Die Bereitschaft, sich nicht alles abnehmen zu lassen. Das Vertrauen darauf, dass Aufmerksamkeit selbst eine Form von Gabe ist.
„Besinnlich“ ist ein Wort, das stark überlagert ist: Es riecht nach Kerzen, Musik im Kaufhaus, gedämpfter Stimme — nach Ruhe als Dekor. Ursprünglich meint es jedoch etwas anderes, Nüchterneres und Anspruchsvolleres: Besinnung heißt nicht Entspannung, sondern Rückwendung zum eigenen Sinn. Besinnlich wäre dann nicht, zur Ruhe zu kommen, sondern einen Moment länger bei sich zu bleiben, statt sich vorschnell beim Denken entlasten zu lassen.
Schenken mag einfach sein. Denken auch. Man muss es nur wieder wollen.
Und vielleicht ist es genau das — ein Geschenk, das bleibt.
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